Am Montagabend wurde Dorothee Bär, die
designierte Staatsministerin im Kanzleramt für Digitalisierung, sowohl von den ARD-Tagesthemen,
als auch vom ZDF heute-journal zum Gespräch eingeladen.
Die Kommentare in den sozialen Medien
ließen nicht lange auf sich warten, und, ja, es gab da durchaus auch den einen
oder anderen Unterton von "was weiß denn die" mit der Betonung auf "die" wie "Frau".
Es half ihr natürlich auch weder bei den Moderatorinnen Miosga und Slomka, noch
bei den Kommentatoren, dass die bisherige Digital-Bilanz der Bundesregierung
eher dürftig ist.
Zum letzten Punkt sagte Dorothee Bär
das Einzige, was sie in dieser Situation sagen konnte, nämlich, dass Digitalisierung
doch so viel mehr sei, als nur schnelles Breitband im letzten Dorf. Nur als sie
das versuchte zu spezifizieren und das Publikum gerade anfing zu hoffen, es
käme jetzt vielleicht doch noch eine Vision, da wurden wir alle herb enttäuscht.
Es kam wie es kommen musste, es kam zu bissigen, wenig unterhaltsamen Zickengefechten, und das Video des Interviews mit Frau Slomka ging viral. Kein Erfolg, nur ein Beweis dafür, dass wir uns zu Tode amüsieren, ein Beweis wie a-historisch, wie geschichtsvergessen, und wie abgehoben über Digitalisierung diskutiert wird. Das war eben kein großes Ding, eher ein Klein-Klein-Spiel, kein überraschender Steilpass, viel Nabelschau über den Stand des Internet der Dinge in Deutschland im Vergleich mit den Konzernen im Silicon Valley. Unterblieben ist auch die Frage, ob die USA mit Amazon Lieferdrohnen und UBER-Flugtaxis wirklich die Zukunft für Europa sind.
Liebe Frau Baer, sie waren auf der IAA, bei den New-Mobility-Konferenzen, die dort vom BMVI unterstützt wurden, und wo sie ja auch als Staatssekretärin für Verkehr und digitale Infrastruktur einen Vortrag zur vernetzten, digitalen, Mobilität gehalten haben. Auf der Messe stand auch ein Flugtaxi herum, ein Volocopter aus Karlsruhe.
https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/volocopter-ein-flugtaxi-made-in-germany/20924372.html
Vor der Mercedes Ausstellung. Groß. Sichtbar.
Verlassen wir aber nun Flugtaxi und Ihre Statements, für die es im Netz auch
genügend Beiträge gibt, denn wer den Schaden hat, braucht heute für den Spott, wie hier über den Bundesflugtaxisverkehrswegeplan nicht zu sorgen.
Dabei gab es in der CSU schon einmal
Visionen zur technischen Zukunft. 1968 schrieb der damalige CSU-Vorsitzende
Franz Josef Strauß das Vorwort zur deutschen Ausgabe des Buches „Die
amerikanische Herausforderung“ von Jean-Jacques Servan-Schreiber. Vergleicht
man diesen Text mit dem, was man heute aus dem christlich-konservativen Lager
der Republik so zu hören bekommt, wird deutlich, wie weit sich die CSU
inzwischen von ihrer damaligen Rolle als Impulsgeber für eine erfolgreiche
Technisierung entfernt hat. Saft- und kraftlos hört sich das alles an im
Vergleich zur Wortgewalt des großen Vorsitzenden der Partei. Anfang 1968 fordert
er die Leser des Buches auf, endlich den politischen Willen aufzubringen, die Übermacht
der USA auf den Gebieten von Technologie und Bildung als Herausforderung zu
begreifen. Eine Herausforderung, auf die man nicht mit Anti-Amerikanismus und nationalen
Alleingängen antworten kann, sondern mit einer gesamt-europäischen politischen Strategie.
Strauß forderte die Deutschen und alle anderen Europäer auf, moralische Stärke,
Selbstbesinnung und die heilenden Kräfte der schöpferischen Phantasie mit dem
Willen zur Tat zu verbinden. Ein klares CSU-Programm, mit dem die designierte
Digitalbeauftragte mit dem Rang einer Staatsministerin im Bundeskanzleramt sehr
viele Punkte in den Interviews mit Frau Miosga von der ARD und Frau Slomka vom
ZDF hätte machen können. Schauen wir doch mal, was sie sonst noch hätte sagen
können – bzw. was die Interviewerinnen auch hätten fragen können.
Was wünsche ich mir von einer
Beauftragten für Digitales im Rang einer Staatsministerin, wenn sie im
Fernsehen aufgefordert wird, über ihre Vision und auch die ihrer Partei, ihr
Programm, über die großen Aufgaben für Deutschland zu sprechen?
Ich hätte mir gewünscht, dass die designierte Regierungsbeauftragte für Digitalisierung ihren Wähler*n und dem ZDF-Publikum mit ihrem ersten öffentlichen Statement mal etwas mehr Bodenhaftung gezeigt hätte, statt von großen Dingen für Deutschland und ihre Klientel in Bayern zu schwadronieren. Sie hätte – Achtung, persönliche Referent*en und Berater* der CSU – einfach mal ihren eigenen großen Vorsitzenden Franz Josef Strauß zitieren können. Dem war schon damals klar, dass den amerikanischen Herausforderungen mit ihren Computern nur von einem vereinten Europa begegnet werden könne. Ohne ein Kontinentaleuropa mit einem gesamteuropäischen Breitbandnetz und einem europäischen Bildungsprogramm, wo es ein Schulfach Programmieren gibt, und ohne in europäischen Laboren entwickelten Technologien, meinetwegen auch Flugtaxis, würden wir dieser Challenge (im Sinne der Geschichtsphilosophie Arnold Toynbees) nichts entgegenzusetzen haben.
Frau Bär, die europäischen Digitalcluster, die Internetknotenpunkte, wie wir in Frankfurt einen haben, müssen gleichermaßen an das Land von Laptop und Lederhosen und an die Mark Brandenburg angebunden werden. Doch dass das ohne Europa nicht geht, das sagen Sie leider nicht.
Sie hätten unter Berufung auf keinen
Geringeren als FJS sagen können, "Europa, liebe Frau Slomka, ist
herausgefordert, aufgefordert, aufgerufen, auf dieses Challenge ein Response zu
finden. Deshalb habe ich als erstes mit meinen französischen Partnern
telefoniert, damit wir die Digitalisierung Europas gemeinsam voranbringen. Wir
stehen vor der Entscheidung, ob wir fähig sind, den Übergang vom analogen
Nationalstaat zu einem digitalen Kontinentalstaat zu vollziehen. Wer aber wie
bisher diesen Übergang nicht bewältigt, der wird wie Franz Josef Strauß es uns
schon 1968 prophezeit hat, im "planetarischen Zeitalter, das auf uns
zukommt, nicht mehr mitzureden haben".
Was brauchen wir dafür? Strauß
forderte damals auf, über diese Vision nachzudenken: "Über die Zollunion
hinaus ein einheitliches Steuer- und Rechtssystem, ohne das es zu keiner
Wirtschaftsunion kommen wird, den Aufbau eines europäischen Kapitalmarktes, und
die Fähigkeit von ihm Gebrauch zu machen," … "was zurzeit bevorzugt
die Amerikaner" täten. Frau Baer, liebe Frau Slomka, Frau Miosga, ein Job
für die Beauftragte für Digitalisierung ist es, ein Denken – und eine
Bewusstseinshaltung – für die Digitalisierung in Europa zu schaffen, "eine
neue Dimension zu schaffen, die den wirklichen Lebensraum aller europäischen
Nationen darstellt", der entstehen werde, wenn Europa und die Deutschen
begreifen, "dass wir nur dann Franzosen, Deutsche, Italiener Engländer und
was auch immer bleiben können, wenn wir wirklich und rechtzeitig Europäer
werden- urgentibus imperii fatis, würde Tacitus sagen." Strauß konnte noch
Latein, er konnte nicht programmieren, aber er war Europäer.
(Ich hätte nie gedacht, dass ich als
Angehöriger der Generation Zaungäste, die mit einem „FJS-Nein Danke“-Aufkleber
auf dem Auto durch die Gegend gefahren ist, das mal schreiben würde.)
Frau Baer, Sie fordern, dass Schüler
programmieren lernen sollten, so wie Lesen, Rechnen und Schreiben. Als ob es
nicht die Commodore C64, die Atari Schülergruppen und Computer AG gegeben
hätte, deren Teilnehmerinnen und Teilnehmer heute als Internetunternehmer
erfolgreich sind. Die sind erfolgreich gewesen, weil sie in der Schule andere
nützliche Dinge gelernt haben. Das könnten ihre Redenschreiber und Coaches,
ihre Referent*en wissen. Wenn Sie erfahrene Zeitgenossen der Digitalisierung,
also Leute fragen, die sich von Anfang an damit befasst haben. Internetpioniere,
wie den Avameo-Gründer Andreas Mertens, oder den grauen Wolf des Internets,
Hannes Bauer, der eine der ersten Suchmaschinen in Europa programmiert hat,
auch ein Seiteneinsteiger, der war Bauingenieur und Funktechniker, der dann mit
der Automation von Fabriken und Stahlwerken begann. Dann hat er Tracking-
Technologien entwickelt, und heute, wo er älter und klüger ist, sorgt er sich
mehr um den Datenschutz und die digitale Souveränität von uns allen.
Der Datenschutz, von dem Sie
behaupten, er stamme aus dem 18. Jahrhundert und zerstöre die Geschäftsmodelle.
Nun ja. Aber wir werden ja alle älter und klüger. Und darum schließe ich nun
mit den Worten von Franz Josef Strauß, aus dem oben zitierten Vorwort vom
Januar 1968.
Darin beschreibt er Ihnen und der CSU
die Rolle Europas:
"Nun handelt es
sich für Europa nicht mehr darum, seine frühere Position zurückzugewinnen,
wieder Mittelpunkt der Weltgeschichte zu werden, denn dafür ist die
geschichtliche Stunde endgültig abgelaufen. Europa steht vielmehr vor der
Frage, ob es sich in der modernen Welt von morgen, als eine Größe sui generis
überhaupt noch behaupten kann, oder ob es im Sinne der Meinung des Verfassers
ein Satellit der Vereinigten Staaten wird, die ihm nicht nur in Rohstoffen, was
eine geringere Rolle spielt, sondern in Ideen, Planungsintuition,
organisatorischen Fähigkeiten, Management, gesellschaftsbildender Kraft, durch
Größe und Bevölkerungszahl eines politisch und wirtschaftlich integrierten
Raumes, die Fortschrittlichkeit des Erziehung- und Bildungswesens,
Wirtschaftskraft, Finanzstärke, durch die größeren Dimensionen auf allen
zukunftsgestaltenden Gebieten überlegen sind. Der auch in den USA tätige abendländische
Geist, beginnt eine neue Zivilisation zu entwickeln, die zum nachindustriellen
Zeitalter führt, und eine Mutation zu erleben, in der das Quantitative in das
Qualitative umschlägt. Die Europäer werden dieses gelobte Land nicht mehr
erreichen, wenn sie nicht der Herausforderung begegnen und eine Antwort darauf
finden."
Er hat sie gegeben. Nun sind Sie dran
Frau Bär. Freue mich auf ihre Antworten.