Die Frage ist so alt
wie das Nachdenken über die Freiheit selbst: Wie viel Freiheit soll man den
Feinden der Freiheit zugestehen? Ich sags gleich: ich weiß es nicht. Ich habe
da keine Meinung; ich kann mich zu keiner Meinung durchringen, weil Alle, Alle
Recht haben.
Dummheit könne man
nicht verbieten, sagt die FDP zur Begründung ihres Standpunktes, dass ein
Verbot nichts bringt. Das ist wohl wahr, aber was, wenn diese Dummheit plötzlich
in Serienmorde umschlägt?
Gerade dieser
Kommentar aus der FDP erinnert mich an eine Episode in der Autobiografie von Klaus
Mann, ”Der Wendepunkt“. Klaus Mann war der älteste Sohn von Thomas Mann, und
natürlich war er hoch gebildet und belesen. Gegen Ende des Buches beschreibt er
eine Szene, die sich 1932 in einem distinguierten ”Tea Room“ in der Münchner
Innenstadt abgespielt hat. Man muss sich diese Örtlichkeit etwa so vorstellen wie
die Lounge eines 5-Sterne Hotels im Stil von Downton Abbey – üppig gepolsterte Sofas und Sessel, dicke
Teppiche, schwere, pompös geraffte Vorhänge. Das sorgt für eine gedämpfte Akustik,
aber natürlich sind Alle dort sowieso viel zu fein, um ihre Stimme über Gebühr
zu erheben. Klaus Mann, der Großbürgersohn, ging dort wie selbstverständlich
ein und aus.
Eines Tages musste er
feststellen, dass sich die Attraktivität des Etablissements auch bei den
niederen Ständen herumgesprochen hatte: In einer Ecke saß Hitler mit seinen
engsten Vertrauten. Er stand kurz vor dem großen Durchbruch, und sein Aufstieg
wurde von den Einen mit Sorge, von den Anderen mit Begeisterung zur Kenntnis
genommen. Klaus Mann beschreibt nun – aus der Retrospektive seines Exils – wie er
selbst dort in dem ”Tea Room“ saß und Zeuge
wurde, wie der spätere GröFaZ Erdbeertörtchen mampfte und sich mit seinen
Spießgesellen über die Schauspielerin Therese Giese unterhielt, die er hoch
schätzte, denn er wusste nicht, dass sie jüdischer Abstammung war.
Klaus Mann hörte eine
Weile zu und beobachtete mit einer Mischung aus Faszination und Abscheu die
Gier, mit der der spätere Reichskanzler seine Erdbeertörtchen in sich hinein schlang:
…[er] erschien
vielmehr von höchst unedler Substanz und Beschaffenheit, ein bösartiger Spießer
mit hysterisch getrübtem Blick in der bleich gedunsenen Visage. Nichts, was auf
Größe oder auch nur auf Begabung schließen lassen konnte!
[...] Die Vulgarität seiner Züge beruhigte mich, tat
mir wohl. Ich sah ihn an und dachte: Du wirst nicht siegen, Schicklgruber, und
wenn du dir die Seele aus dem Leibe brüllst.
Und mit diesen
Gedanken zahlte Klaus Mann und ging, beruhigt, dass die Welt sich vor diesem Nichts
von einem Menschen nicht zu fürchten brauchte.
Natürlich leben wir
heute in einer anderen Zeit, aber man sollte auch heute potenzielle Mörder
nicht verharmlosen. Ob ein Verbot der NPD der richtige Schritt ist, weiß ich
immer noch nicht. Ein starkes Argument dafür ist jedenfalls die Überlegung,
dass im Falle eines Verbots unsere Sicherheitsbehörden vielleicht einmal von ihrer Fixierung auf
das linke Milieu herunter kommen und etwas effektivere Strategien gegen Rechts
verfolgen als das, was wir derzeit durch den NSU-Untersuchungsausschuss zur
Kenntnis nehmen müssen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen