Freitag, 22. März 2013

NPD-Verbot Ja oder Nein




Die Frage ist so alt wie das Nachdenken über die Freiheit selbst: Wie viel Freiheit soll man den Feinden der Freiheit zugestehen? Ich sags gleich: ich weiß es nicht. Ich habe da keine Meinung; ich kann mich zu keiner Meinung durchringen, weil Alle, Alle Recht haben.

Dummheit könne man nicht verbieten, sagt die FDP zur Begründung ihres Standpunktes, dass ein Verbot nichts bringt. Das ist wohl wahr, aber was, wenn diese Dummheit plötzlich in Serienmorde umschlägt?

Gerade dieser Kommentar aus der FDP erinnert mich an eine Episode in der Autobiografie von Klaus Mann, ”Der Wendepunkt“. Klaus Mann war der älteste Sohn von Thomas Mann, und natürlich war er hoch gebildet und belesen. Gegen Ende des Buches beschreibt er eine Szene, die sich 1932 in einem distinguierten ”Tea Room“ in der Münchner Innenstadt abgespielt hat. Man muss sich diese Örtlichkeit etwa so vorstellen wie die Lounge eines 5-Sterne Hotels im Stil von Downton Abbey – üppig gepolsterte Sofas und Sessel, dicke Teppiche, schwere, pompös geraffte Vorhänge. Das sorgt für eine gedämpfte Akustik, aber natürlich sind Alle dort sowieso viel zu fein, um ihre Stimme über Gebühr zu erheben. Klaus Mann, der Großbürgersohn, ging dort wie selbstverständlich ein und aus.

Eines Tages musste er feststellen, dass sich die Attraktivität des Etablissements auch bei den niederen Ständen herumgesprochen hatte: In einer Ecke saß Hitler mit seinen engsten Vertrauten. Er stand kurz vor dem großen Durchbruch, und sein Aufstieg wurde von den Einen mit Sorge, von den Anderen mit Begeisterung zur Kenntnis genommen. Klaus Mann beschreibt nun – aus der Retrospektive seines Exils – wie er selbst dort in dem ”Tea Room“  saß und Zeuge wurde, wie der spätere GröFaZ Erdbeertörtchen mampfte und sich mit seinen Spießgesellen über die Schauspielerin Therese Giese unterhielt, die er hoch schätzte, denn er wusste nicht, dass sie jüdischer Abstammung war.

Klaus Mann hörte eine Weile zu und beobachtete mit einer Mischung aus Faszination und Abscheu die Gier, mit der der spätere Reichskanzler seine Erdbeertörtchen in sich hinein schlang:

 …[er] erschien vielmehr von höchst unedler Substanz und Beschaffenheit, ein bösartiger Spießer mit hysterisch getrübtem Blick in der bleich gedunsenen Visage. Nichts, was auf Größe oder auch nur auf Begabung schließen lassen konnte!
[...] Die Vulgarität seiner Züge beruhigte mich, tat mir wohl. Ich sah ihn an und dachte: Du wirst nicht siegen, Schicklgruber, und wenn du dir die Seele aus dem Leibe brüllst.

Und mit diesen Gedanken zahlte Klaus Mann und ging, beruhigt, dass die Welt sich vor diesem Nichts von einem Menschen nicht zu fürchten brauchte.

Natürlich leben wir heute in einer anderen Zeit, aber man sollte auch heute potenzielle Mörder nicht verharmlosen. Ob ein Verbot der NPD der richtige Schritt ist, weiß ich immer noch nicht. Ein starkes Argument dafür ist jedenfalls die Überlegung, dass im Falle eines Verbots unsere Sicherheitsbehörden vielleicht einmal von ihrer Fixierung auf das linke Milieu herunter kommen und etwas effektivere Strategien gegen Rechts verfolgen als das, was wir derzeit durch den NSU-Untersuchungsausschuss zur Kenntnis nehmen müssen.

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