Dienstag, 26. April 2016

Was machen wir nun?

Zwei Tage nach der österreichischen Präsidentenwahl und einen Tag nach der Schrecksekunde im sachsen-anhaltinischen Landtag wird auf allen klassischen und sozialen Medienkanälen unisono das Mantra vom ungebildeten Populistenwähler gebetet. Das ist sehr gefährlich, denn es dient mehr der Selbstberuhigung derer, die sich für gebildet genug halten, auf diese Schreier nicht hereinzufallen. 

"Unterschichtenverachtung" nennt es der Twitterer, der sich Grübelmonster (@mainwasser) nennt. Damit erreicht man nichts Anderes als den rechten Rand in seiner Ablehnung von allen Etablierten, und von Allem was wir für den Grunkonsens in unseren westlichen Gesellschaften gehalten haben, zu bestärken: Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit für alle Religionen, Toleranz gegenüber allen sexuellen Orientierungen außer Pädophilie, soziale Absicherung, ein friedliches Zusammenleben auf dem europäischen Kontinent. 


Dieser Artikel hier von Stefan Laurin warnt davor, die Wähler von FPÖ, AfD & Co als dumm und ungebildet abzuqaulifizieren, und ich kann mich ihm nur anschließen


http://www.ruhrbarone.de/oesterreich-das-lachen-das-im-hals-stecken-bleiben-sollte/125946#


Im übrigen ist dieses Problem ebenso alt wie das Problem, das es hervorgebracht hat. Eine meiner Lieblingsstellen in der deutschsprachigen Literatur stammt von Klaus Mann und steht in seinem autobigraphischen Buch "Der Wendepunkt".

 
Klaus Mann war der älteste Sohn von Thomas Mann, und natürlich war er intelligent, hoch gebildet und belesen. Gegen Ende des Buches beschreibt er eine Szene, die sich 1932 in einem distinguierten ”Tea Room“ in der Münchner Innenstadt abgespielt hat. Ich habe diese Örtlichkeit noch erlebt - man muss sie sich etwa so vorstellen wie die Lounge eines 5-Sterne Hotels im Stil von Downton Abbey – üppig gepolsterte Sofas und Sessel, dicke Teppiche, schwere, pompös geraffte Vorhänge. Das sorgt für eine gedämpfte Akustik, aber natürlich sind Alle dort sowieso viel zu fein, um ihre Stimme über Gebühr zu erheben. Klaus Mann, der Großbürgersohn, ging dort wie selbstverständlich ein und aus.

Eines Tages musste er feststellen, dass sich die Attraktivität des Etablissements auch bei den niederen Ständen herumgesprochen hatte: In einer Ecke saß Hitler mit seinen engsten Vertrauten. Er stand kurz vor dem großen Durchbruch, und sein Aufstieg wurde von den Einen mit Sorge, von den Anderen mit Begeisterung zur Kenntnis genommen. Klaus Mann beschreibt nun – aus der Retrospektive seines Exils – wie er selbst dort als 26-Jähriger in dem ”Tea Room“ saß und Zeuge wurde, wie der spätere GröFaZ Erdbeertörtchen mampfte und sich mit seinen Spießgesellen über die Schauspielerin Therese Giese unterhielt, die er hoch schätzte. Der zuhörende Klaus Mann konnte sich an dieser Stelle das Losprusten kaum verkneifen, denn seine Freundin TG war jüdischer Abstammung.

Klaus Mann hörte eine Weile zu und beobachtete mit einer Mischung aus Faszination und Abscheu die Gier, mit der der spätere Reichskanzler seine Erdbeertörtchen in sich hinein schlang:
 …[er] erschien vielmehr von höchst unedler Substanz und Beschaffenheit, ein bösartiger Spießer mit hysterisch getrübtem Blick in der bleich gedunsenen Visage. Nichts, was auf Größe oder auch nur auf Begabung schließen lassen konnte!
[...] Die Vulgarität seiner Züge beruhigte mich, tat mir wohl. Ich sah ihn an und dachte: Du wirst nicht siegen, Schicklgruber, und wenn du dir die Seele aus dem Leibe brüllst.

Und mit diesen Gedanken zahlte Klaus Mann und ging, beruhigt, dass die Welt sich vor diesem Nichts von einem Menschen nicht zu fürchten brauchte


Kluge und gebildete Menschen in unserer Zeit sollten sich vor dieser Haltung hüten.  

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