Mittwoch, 24. August 2016

Ich kanns nicht lassen



Ich muss mal wieder zu meinem Lieblingsthema zurückkommen - bescheuerte Anglizismen.

Kürzlich habe ich einen Roman gelesen, der in diesem Jahr erschienen ist. Der Autor ist 32 Jahre alt, ein Millennial also. Erzählt wird eine Familiengeschichte aus der Sicht eines Ich-Erzählers, der zu dieser Familie gehört. Die Geschichte erstreckt sich über die Zeit zwischen seiner Kindheit (etwa 8 oder 9 Jahre) und seiner Lebensmitte (ca. 40). Die Schauplätze sind verschiedene deutsche Städte, ein bisschen Frankreich und ein bisschen Schweiz.

Ich sage hier nicht, um welches Buch es sich handelt, denn es geht mir überhaupt nicht um das Buch als Ganzes oder um die Frage, ob es als Roman "gut" oder "schlecht" ist. Mir geht es um ein paar stilistische Entgleisungen, die ich als #bescheuerteAnglizismen subsummiere, und deren Häufigkeit in diesem Buch mich etwas erstaunt hat.

Ich habe keinen Hinweis, dass Deutsch nicht die Muttersprache des Autors ist, trotzdem finden sich in diesem Buch Sätze, die mich an schlechte Übersetzungen aus dem Englischen denken lassen:


1.      … [es] war keine dieser elitären Einrichtungen
     mit Tennisplätzen, Hockeyfeldern und Töpfereien ...
2.      Erst wenn ich ein Erwachsener bin ...
3.      Ein schmuddeliger Kleinkrimineller aus Philly, der
     jederzeit einen Supermarkt überfallen und mit fünf
     Dollar und einer Tüte Milch flüchten konnte.
4.      Mein sehnlichster Wunsch war es, keine
     verdammte Waise mehr zu sein
5.      Ich weiß ja nicht, wie es dir ging, aber wir hatten
     eine grauenhafte Zeit damals …
6.      Er wohnte nur wenige Blocks entfernt von unserem
     früheren Zuhause
7.      ... irgendetwas, was mich besänftigte, aber nicht
     das hier.
8.      Ich werde das hier überleben.
9.      Das bin nicht ich, …. das hier bin ich einfach nicht!


Soweit meine Liste. Ich habe nicht gezielt nach solchen Sätzen Ausschau gehalten, und ich habe bestimmt noch ein paar ähnliche Sätze übersehen, aber diese Auswahl zeigt hoffentlich, worum es mir geht.

Jeder versteht diese Sätze, aber sie klingen alle irgendwie falsch, entweder weil sie ein Demonstrativpronomen setzen, wo im Deutschen keins hingehört (1) oder den demonstrativen Charkter des bestimmten Artikels mit dem Wort "hier" verstärken, wie es im Deutschen nicht üblich ist (7-9) - keine Ahnung, in welchem Lexikon das zuerst gestanden hat.

Im Satz (2) wird ein Substantiv mit unbestimmtem Artikel benutzt, wo im Deutschen ein Adjektiv ausreicht. 

Das im Satz (3) benutzte Bild hat der Autor natürlich aus dem Kino - aber es ist vollkommen ohne jeden Bezug in dem beschriebenen mitteleuropäischen Milieu, und wer weiß schon um welche Stadt es sich bei "Philly" handelt. Es wird auch an keiner anderen Stelle im Buch ein ähnliches Bild gebraucht.

Satz (4) ist nicht so einfach in korrektes Deutsch zu bringen, aber man könnte es schon versuchen. So gehts jedenfalls nicht.

Auch der Ausdruck "eine [gute oder schlechte] Zeit haben" (5) ist in unserer  Sprache nicht gebräuchlich.

Die Städte werden bei uns nicht in "Blocks" eingeteilt (6), und Zuhause wird eher selten substantivisch gebraucht, um zu sagen, man habe irgendwo mal gewohnt.


Wir haben hier eine Mischung aus sprachlichen Anglizismen und falsch gewählten Bildern, und das in einem Text, von dem man annehmen kann, dass er sorgfältig geschrieben wurde und auch gegengelesen worden ist, bevor er veröffentlicht wurde.

Warum sind diese Sätze niemandem aufgefallen?










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