Ich muss mal wieder zu meinem Lieblingsthema zurückkommen - bescheuerte
Anglizismen.
Kürzlich habe ich einen Roman gelesen, der in diesem Jahr erschienen ist.
Der Autor ist 32 Jahre alt, ein Millennial also. Erzählt wird eine
Familiengeschichte aus der Sicht eines Ich-Erzählers, der zu dieser Familie
gehört. Die Geschichte erstreckt sich über die Zeit zwischen seiner Kindheit
(etwa 8 oder 9 Jahre) und seiner Lebensmitte (ca. 40). Die Schauplätze sind
verschiedene deutsche Städte, ein bisschen Frankreich und ein bisschen Schweiz.
Ich sage hier nicht, um welches Buch es sich handelt, denn es geht mir
überhaupt nicht um das Buch als Ganzes oder um die Frage, ob es als Roman
"gut" oder "schlecht" ist. Mir geht es um ein paar
stilistische Entgleisungen, die ich als #bescheuerteAnglizismen subsummiere,
und deren Häufigkeit in diesem Buch mich etwas erstaunt hat.
Ich habe keinen Hinweis, dass Deutsch nicht die Muttersprache des Autors
ist, trotzdem finden sich in diesem Buch Sätze, die mich an schlechte
Übersetzungen aus dem Englischen denken lassen:
1. … [es] war keine dieser
elitären Einrichtungen
mit Tennisplätzen, Hockeyfeldern und Töpfereien ...
mit Tennisplätzen, Hockeyfeldern und Töpfereien ...
2. Erst wenn ich ein
Erwachsener bin ...
3. Ein schmuddeliger
Kleinkrimineller aus Philly, der
jederzeit einen Supermarkt überfallen und mit fünf
Dollar und einer Tüte Milch flüchten konnte.
jederzeit einen Supermarkt überfallen und mit fünf
Dollar und einer Tüte Milch flüchten konnte.
4. Mein sehnlichster Wunsch
war es, keine
verdammte Waise mehr zu sein
verdammte Waise mehr zu sein
5. Ich weiß ja nicht, wie es
dir ging, aber wir hatten
eine grauenhafte Zeit damals …
eine grauenhafte Zeit damals …
6. Er wohnte nur wenige
Blocks entfernt von unserem
früheren Zuhause
früheren Zuhause
7. ... irgendetwas, was mich
besänftigte, aber nicht
das hier.
das hier.
8. Ich werde das hier
überleben.
9. Das bin nicht ich, …. das
hier bin ich einfach nicht!
Soweit meine Liste. Ich habe nicht gezielt nach solchen Sätzen Ausschau
gehalten, und ich habe bestimmt noch ein paar ähnliche Sätze übersehen, aber
diese Auswahl zeigt hoffentlich, worum es mir geht.
Jeder versteht diese Sätze, aber sie klingen alle irgendwie falsch,
entweder weil sie ein Demonstrativpronomen setzen, wo im Deutschen keins hingehört
(1) oder den demonstrativen Charkter des bestimmten Artikels mit dem Wort
"hier" verstärken, wie es im Deutschen nicht üblich ist (7-9) - keine
Ahnung, in welchem Lexikon das zuerst gestanden hat.
Im Satz (2) wird ein Substantiv mit unbestimmtem Artikel benutzt, wo im
Deutschen ein Adjektiv ausreicht.
Das im Satz (3) benutzte Bild hat der Autor natürlich aus dem Kino - aber
es ist vollkommen ohne jeden Bezug in dem beschriebenen mitteleuropäischen
Milieu, und wer weiß schon um welche Stadt es sich bei "Philly"
handelt. Es wird auch an keiner anderen Stelle im Buch ein ähnliches Bild
gebraucht.
Satz (4) ist nicht so einfach in korrektes Deutsch zu bringen, aber man
könnte es schon versuchen. So gehts
jedenfalls nicht.
Auch der Ausdruck "eine [gute oder schlechte] Zeit haben" (5) ist
in unserer Sprache nicht gebräuchlich.
Die Städte werden bei uns nicht in "Blocks" eingeteilt (6), und
Zuhause wird eher selten substantivisch gebraucht, um zu sagen, man habe
irgendwo mal gewohnt.
Wir haben hier eine Mischung aus sprachlichen Anglizismen und falsch
gewählten Bildern, und das in einem Text, von dem man annehmen kann, dass er
sorgfältig geschrieben wurde und auch gegengelesen worden ist, bevor er
veröffentlicht wurde.
Warum sind diese Sätze niemandem aufgefallen?
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