Donnerstag, 18. Juni 2015

Wie war das mit der Nacht und den Preußen bei Waterloo?

Ich habe vor einiger Zeit (im Februar 2013) an dieser Stelle geschrieben, man solle sich vor Metaphern hüten, wenn man in einer fremden Sprache spricht. Auch wenn Metaphern Bilder sind, die eigentlich verständlich sein müssten, wird man auf Unverständnis stoßen, wenn der Gebrauch eines bestimmten Bildes nun einmal in einer bestimmten Sprache nicht üblich ist. Im Deutschen ist es uns vollkommen klar, was gemeint ist, wenn jemand sagt, dass es aus dem Wald heraus klingt, wie man hineingerufen hat, aber das Bild wird in vielen anderen Sprachen nicht metaphorisch verwendet. 
 
Diese Unübertragbarkeit ist auch bei Zitaten zu beobachten – manche Aussprüche, die man in Deutschland berühmten Angelsachsen zuschreibt, sind im angelsächsischen Sprachraum nicht bekannt, aber wir kennen sie nur auf Deutsch, und vom Versuch einer Rückübersetzung sollte man besser absehen. Also ist Vorsicht geboten, wenn man seinen Smalltalk mit ihnen auflockern möchte.

Wer sich in Deutschland für Geschichte und Literatur interessiert, dem begegnet irgendwann einmal das Zitat “Ich wünschte, es würde Nacht, oder die Preußen kämen.“ Der Herzog von Wellington soll das bei Waterloo gesagt haben, als noch keineswegs klar war, wer bei diesem Waffengang gewinnen würde. Der Satz gehört in Deutschland zum klassischen Bildungskanon und ist in zahlreichen Zitatensammlungen zu finden. Unter Briten und Amerikanern und in deren Zitatensammlungen  – absolute Fehlanzeige.

Hier kommt natürlich auch unser historisches Handicap ins Spiel – nach den beiden Weltkriegen des 20. Jahrhunderts interessieren sich die Briten nicht sonderlich dafür, dass sie Napoleon nur besiegen konnten, weil sie mit halb Europa und darunter ausgerechnet mit irgendwelchen Preußen verbündet waren. Englische Touristenführer zitieren gern den Satz  ˮThe battle of Waterloo was won on the playing fields of Eton“,  der ebenfalls Wellington zugeschrieben wird.

Mir hat das keine Ruhe gelassen, und dank Google Books habe ich eine Veröffentlichung aus dem Jahr 1830 gefunden, in der Wellington tatsächlich wörtlich zitiert wird: “Would to God that night or Blucher were come!” [General Muffling, A Sketch on the Battle of Waterloo  ...  . Brüssel, 1830, S. XXVII]. Sollte er das in der Tat so gesagt haben, hat das im Englischen eine ganz andere Dringlichkeit als in unserer Überlieferung, aber das nur nebenbei. Der Satz zeigt jedenfalls sehr schön, dass jeglicher Rückübersetzungsversuch unter allen Umständen unterbleiben sollte. Kein noch so versierter Kenner der englischen Sprache würde bei dem Versuch, den deutschen Satz “Ich wünschte, es würde Nacht, oder die Preußen kämen“ in heutiges Englisch ˮzurück“ zu übersetzen, bei diesem Original landen.

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