Es ist nun mal mein Lieblingsthema – die Anglizismen in der
deutschen Sprache.
Eben hat der Moderator des Internationalen Frühschoppens das
Wort "Modernität" gebraucht. Das Wort gibt es natürlich im Deutschen,
in dem von Michael Hirz hergestellten Zusammenhang ist es aber falsch und ein
neuerliches Beispiel für einen besonders bescheuerten Anglizismus. Am 18.1.
habe ich schon einmal die Worte erwähnt, die aus unseren europäischen
Ursprachen (Latein & Griechisch) kommen, und die sich natürlich in den
unterschiedlichen modernen Sprachen unterschiedlich entwickelt haben.
Diese unterschiedliche Entwicklung hat sich in zweierlei Art
und Weise vollzogen:
Einerseits haben sich aus den ursprachlichen Wurzeln unterschiedliche
Bedeutungen herausgebildet – im Englischen bedeutet das Substantiv "preserve"
Konfitüre, was mit unserem Wort "Präservativ" wenig gemein hat. Das
sind die landläufig bekannten "Falschen Freunde" – man kann sich da
einiges an Büchern bei www.amazon.de bestellen,
allerdings muss man sie als "false friends" suchen – wenn man die
deutschen Worte eingibt, kriegt man erst einmal Titel, in denen es wirklich um
unechte Freundschaften geht.
Die andere Unterschiedlichkeit ist eine grammatikalische –
auch die beiden eben erwähnten Worte haben unterschiedliche Endungen, sie
werden unterschiedlich hergeleitet und erhalten häufig dann im jeweiligen
Zusammenhang unterschiedliche Funktionen. Bei "preserve" und "Präservativ"
ist das gut nachvollziehbar; das eine ist eine ist das Ergebnis eines
Kochvorganges, das andere ist ein Gegenstand, der eingesetzt wird, um eine
bestimmte Wirkung zu erzielen.
Im Deutschen haben wir eine Parallele mit dem Hauptwort Konserve
– die ist das Ergebnis eines Erhitzungsvorgangs, und das Adjektiv konservativ,
das sich auf die mit dieser so bezeichneten Geisteshaltung erhoffte Wirkung
bezieht.
So weit so klar. Diese Worte sind direkt aus den Ursprachen
in unsere modernen Sprachen gekommen. Bescheuert kann es dann werden, wenn die
Worte aus den Ursprachen stammen, aber erst auf dem Umweg über das
Französische, wie im 18./19. Jahrhundert, oder über das Englische, wie in
unserem Jahrhundert, ins Deutsche gelangt sind.
Ich sage, es kann bescheuert werden, denn manchmal hat der
Prozess auch sein Gutes: Das Wort "Analyst" bedeutet eigentlich das
Gleiche wie unser "Analytiker", aber es trägt zur Differenzierung
bei, wenn das eine Wort jemanden bezeichnet, der Wirtschaftsdaten analysiert
und das andere jemanden, der sich mit seinen Patienten auf der Couch beschäftigt.
Genauso gibt es – und damit bin ich wieder bei Michael Hirz –
das Wort "Modernität" und das Wort "Moderne" – eine Wurzel,
zwei verschiedene Endungen, und zwei unterschiedliche Bedeutungen. Was Michael
Hirz meinte, war die Moderne. Er fragte den indischen Teilnehmer in der
Gesprächsrunde, ob die Gewalt gegen Frauen in seiner Heimat etwas damit zu tun
habe, dass die Modernität in weiten Teilen
der Gesellschaft noch nicht angekommen sei.
Im Englischen bezeichnet "modernity" das, was bei
uns "die Moderne" ist: Die Gesamtheit der Anschauungen und
technischen Errungenschaften, die die Zeit seit etwa der Mitte des 19. Jahrhunderts
in Europa und Nordamerika geprägt haben. Ein Weltbild, das auf Rationalität und
Individualismus beruht, und das es dem Einzelnen gestattet, sein Leben gemäß
seinen Fähigkeiten und Bedürfnissen zu gestalten.
Modernität heißt im Deutschen etwas Anderes; es steht nicht
allein, es hat beschreibenden Charakter: z.B. die Modernität einer Aussage,
einer Ansicht.
Wenn in einem deutschen Medium von Modernität gesprochen
wird so wie Michael Hirz das Wort gebraucht hat, dann liegt der Schluss nahe,
dass der Sprecher sich in englischsprachigen Medien informiert hat – bei dem
Thema Gewalt gegen Frauen in Indien auch nahe liegend – und nun wenn er deutsch
darüber sprechen soll, sich einfach vertüddelt hat zwischen den Sprachen.
Vertüddeln ist übrigens norddeutsch, und es gibt kein
hochdeutsches Äquivalent dafür.
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